Paracelsus Hautklinik

Hautklinik, Bad Cannstatt: Para Pappas Cellstoffe.

Die Cannstatter Paracelsusfigur lesen, in Papiere hineinkopieren und erleichtert zusammenhantieren.

Meine Hände formen die Papiere mit den Händen des Cannstatter Paracelsus und seinen Gesten in der Sandsteinfigur, sie formen die Buchstaben des Namens ab, und montieren sie und die vervielfältigten Hände in seiner Nähe neu an die Wand.

Die Papiere weisen auf ihn zurück, spielen mit ihm und zeigen seiner Körpersprache hellere Plätze im Gebäude. Die Zellstoffkopien deuten Paracelsus mit luftigeren Oberflächen als eher unbeschriebene Geisterfigur von vordem.

Die Haltung und Gestik erscheint im Format des Steines eingeengt und gehemmt, in der angehobenen Position vor der die Treppen teilenden Wandscheibe mutet er an wie eine mürrische Gallionsfigur, wie ein Schutzheiliger, aber resigniert und schlecht bezahlt.

Durch seine Ausrüstung mit dem Schwert samt Schlangenstab wird Paracelsus vorgestellt als eine Art streitbarer Mantelpatron der Volksheilkunde. Das Schwert mit seiner prononcierten Parierstange ist auch ein bannendes Kreuz, ein Kreuzritterteil. Der große Kugelknauf ist ein alchimistisches Gefäß für den Stein der Weisen, der jegliche Krankheit heilen könnte, ja Tote zum Leben zurückbrächte. Als die Hautklinik noch Militärkrankenhaus ist, ist ein riesengroßes Rotes Kreuz auf weißen Grund auf der Dachfläche aufgemalt.  Wir sollen uns zurechtfinden und durch Ansprache und Dekoration gestärkt werden.

Der Sandsteinparacelsus greift mit seiner linken Hand an den Griff des Schwertes, mit der rechten Hand schlägt  er den Mantel zurück, also signalisiert eigentlich Kampfesbereitschaft, aber die ganze Körperhaltung von Verhaltenheit und Eingeengtsein, auch die schlaffe Mimik wirkt doch eher müde und laienspielhaft.  Hier soll nun die Papierbehandlung zu leichteren und nicht ganz so ernsten Geisterteilen befreien, aufklären und erheitern.

 

Die rechten und die linken Hände des Herrn Paracelsus.

In einer gestreckten Welle berühren sich fünf rechte Unterarme und Hände zu einer waagrechten Raumgeste. Die Hände spielen die Schlange am Stab, das Ein- und Ausschwingen der Linie der Schönheit, den Buchstaben S und dessen Spiegelung zum Fragezeichen.
Zehn linke Hände verkoppeln sich zu Paaren an dem Kugelknauf und werden senkrecht übereinander zu einem Handlauf zusammengerückt.

Die Namen des Herrn Paracelsus.

Lese den Namen des Paracelsus richtig von seiner Geburt an, also vom Anfang her vorwärts und lese den Namen korrekt von seinem Ende her, aus seinem Vermächtnis heraus rückwärts, lese den Namen auch spiegelverkehrt und einmal vertieft und einmal erhaben. Der Herr Paracelsus hat viele Namen, er schreibt sich selbst in verschiedenartigen Fassungen, Paracelsus ist ein Liebhaber von Varianten und verschiedenen Lesarten:

Philippus Aureolus Theophrastus Bombast von Hohenheim genannt Paracelsus.

Drucken und Lesen des Namens und der Lebensdaten.

PARACELSUS, das sind die vertieft in die Sockelzeile des Steinbildes eingemeißelten Antiqua-Buchstaben, dazu links eine Zahl, Jahr der Geburt, und rechts eine Zahl, Jahr des Sterbens. Das Papier druckt in vier Zeilen die Sockelinschrift um, die erste wird gelesen wie im Stein, die zweite siegelbildlich mit erhabenen Buchstabenrelief, die dritte wird gelesen als die in der Reihenfolge rückwärts umgesetzten Buchstaben und zugeordneten Ziffern, um 180 Grad gedreht; ein auf dem Kopf stehendes P steht vorne. Die vierte Zeile spiegelt die dritte, ist Negativform von ihr. Ich kann es drehen und wenden.

Die Paracelsusnamenspapiere werden in zwei Fassungen präsentiert: 1. als vier Zeilenpapiere aneinandergeschoben und 2. als ein Blockpapier mit den  vier Zeilen.

 

Herr Paracelsus ist ganz und zusammengesetzt.

Die ganze Papierhülle von dem im Parterre eingebauten Sandsteinparacelsus ist zusammengerückt mit zwei Brustbildern, kopfüber und kopfunter gegeneinander gedreht wie auf einer plastischen Spielkarte (König mit Zepter, Bube mit Säbel, Paracelsus mit Scharfrichterschwert).  Die neuen, weissen Papierpararacelsi erscheinen oben im Treppenhaus weiß auf weißer Wand, in der Helle des Lichts, das dort ein Fenster seitlich hereinlässt.

Ausdruck und Eindruck übernehmen die Papiere von der Sandsteinfigur, und mit ihren Rückseiten ergänzen sie die massive Halbfigur durch eine Anmutung von Unschärfe und durch ein naturverwandteres Schichtgebilde an der Oberfläche.

Zur Herstellung der Formpapiere nehme ich einen Silikonabdruck von der Sandsteinfigur ab und verwende als zweites eine Gipskopie. Positiv-Form und Negativ-Form, Silikon- und Gips-Teil passen ineinander und berühren sich in einer Oberfläche. Diese Oberfläche wird zu geformten Papieren verdickt und angewendet.

Papiere auf der Haut und unter der Haut und als die Haut.

In die hohle Form werden antrocknende Papierfilze eingeformt, getrocknet und herausgelöst, und auf die gewölbte Form werden bewegliche nasse Papierfilze aufgetupft, getrocknet und heruntergelöst.

Die Ab- und Ein-formungen sind Papierblätter mit Positiv- und Negativ-Seiten, mit Vorder- und Rückseiten, mit glatteren Oberflächen, und rauh-offeneren.

Blasenkappen und offene Adern an Geschiebegrenzen können entstehen, oder wurzelartige Verdickungen an ineinandergedrückten Falten und Überlappungen. Gewellte, schwimmende Glätte, oder pelzartig  aufgestellte Fäserchen schaffen eine jeweils andere Unschärfe, je nachdem wie nass oder feucht der aufgelegte Papierfilz ist und wie Finger oder harte Pinsel tupfen oder stupfen.

Die gleichzeitige Formung zweier Oberflächen in dem einen Formpapier mit der glatt anformenden Seite und der anderen unscharf offenen, das bewegte Umformen des räumlichen Gefüges im nass-feuchten Papierfilz auf die zwei Oberflächen hin, ist vorher im Schöpfen schon geübt. Die Siebseite ist geschlossen und regelmäßig, sie übernimmt die gerasterte Anordnung des Siebgewebes oder die gezeilte der Drahtbünde, die nach oben hin offene Seite, die Ablegeseite ist bewegter, landschaftlicher durch das dort freiere Zusammenschwimmen und Überfilzen der Papierfasern. Dieses Doppelseitige, Zweigesichtige der frischen Papierfilze wird beim Anformen der Papiere im Ausdruck noch augenfälliger.

Um Papieresdicke liegen die Blätter unter oder über der Oberfläche der abgeformten Figur; drunter, das in die Hohlform gelegte Blatt, drüber, das auf die Vollform gelegte Blatt. Der Körper der Paracelsusfigur wird von innen her gefüllt und ausgewechselt in Papierschichten, wird dabei nach innen immer unschärfer. Oder der Körper wird von außen umhüllt und umkleidet, vielleicht auch umrindet, umkrustet, und wird mit der Dicke und der  Anzahl der Papierschichten  wiederum unschärfer. Die Oberfläche des Paracelsus, die Sandsteinhaut, die Haut wird von zwei Seiten her berührt.

Die plastische Unschärfe beim Abformen zur Ansicht zu bringen ist vielleicht eine innere Möglichkeit des Papieres, mehr als der geisterhafte Eindruck und das leichtgewichtige, spielerische Katalogisieren der Körper- und Schriftteile in den Paracelsuspapieren.

Text und plastischer Körper ergänzen sich im Papier bei der Lektüre von Zeigen und Bedeuten, blättern gemeinsam ein wechselseitig animiertes Gedankenspiel auf. Die geformten Papiere des Paracelsus sind eine Materiallektüre für ein noch nicht ganz gebundenes Heft.

 


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