T.G. Dittmar: Der Heuboden. …Papierblätter oder gedruckte Makulatur-Bogen, die auf dem Heu umhergestreut …

… Ich stieg voll Verwunderung auf den Heuboden. Nur ein schwaches Seitenlicht vom Dachfenster ließ mich eine Menge Papierblätter oder gedruckte Makulatur-Bogen, die auf dem Heu umhergestreut waren, erkennen. Ich rief hierauf den Namen M o r i t z ! laut aus, und hörte eine dumpfe Antwort, wie aus der Tiefe eines Grabes: ›Was gibt’s? Wer ist da?‹ – …

Nun sah ich einen Menschenkopf aus einem Loche im Heu mit fürchterlichen Blicken hervorragen …

›Was wollen Sie hier?‹ – fragte er auf eine mich befremdende, langsame und pathetische Art.

›Sie besuchen. Ich höre, Sie sind krank.‹

›Ja, das bin ich, und zwar sehr krank.‹

›Warum bleiben Sie nicht auf ihrem Zimmer?‹

›Ich befinde mich hier wohler – und brauche die Kräuterkur, den Heuduft. Er stärkt mich, denn er ist balsamisch. … Das Tageslicht ist mir zuwider. Ich liebe das Helldunkel.‹

›Aber hier können Sie sich doch nicht beschäftigen?‹

›Warum nicht? – Ich meditire im Heu. Drängen mich meine Gedanken zu viel, so krieche ich hervor zu meiner Lektüre, die Sie hier um mich sehen,  – und lese, – Dinge, an die ich nie gedacht habe. Bald ist es ein medicinisches, ökonomisches, politisches, theologisches, philosophisches, grammatisches, oder ein anderes närrisches Blatt, und das gibt mir wieder einen andern Schwung; ich verlasse meine quälenden Gedanken, und vergesse so lange meine Krankheit.‹

 

T.G. Dittmar, Karakterzüge aus dem Leben des Prof. Hofraths Moritz in Berlin, Morgenblatt für gebildete Stände, Nro. 170, 1808


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