Eins – Schulern – Geometrie ist allein mit sich.

Kubus, Kugel, Pyramide, Raster, … Permutation, Rotation, Kippbewegung, Durchdringung, Faltung, alle sind sie allein mit sich und stellen sich selber dar.

Geometrie ist kein Baum, kein Zelt, kein Knie, ist Geometrie, sonst nichts. – “And if you have notting, you stay with notting, – and don`t play sentimental bullshit!”

Genauigkeit will kontrolliert sein, und Überwachung übt wohl auch die darstellende Geometrie aus. Konstruktive, technische Zeichnungen muten mit ihrer Genauigkeit an, wie feldherrliche Verteidigung, wie verschließend schlüssiger Schluss, wie Fertigkeit und Feierabend, Ende. – Besonders präzis, hart und sehr fein gezeichnet können sie dennoch zerbrechlich und persönlich werden. Und doch ist all das fleißige Umrändern mit schwarzen Strichen auf dem weiß sauberen Zeichenkarton oder dem harten Transparentpapier, ja selbst auf dem fleischfarbenen Millimeterpapier eine Manufaktur der Trauerränder. Und auch aus dem Computer kommt in all der Genauigkeit zuweilen trauriges Rendering von Defensivgestellen und Bunkernetzen, bunter zwar, doch ebenso vergeblich und schutzbedürftig.

Zwei – Schurren – Geometrie ist in Dingen drin, umgeben von Material und Maßen, verkleidet in stoffliche Oberflächen.

Das Muster einer Leiter entsteht durch zwei lange senkrechte Strecken, die mit einer Anzahl kurzer waagrechter Strecken verbunden sind.  Eine Abfolge entwickelt diese Geometrie indem die Linien Volumen zunehmender Dicke anzeigen, etwa rechtwinklige Profile, die zwei Holme werden und mehrere Sprossen. Aus dem gedachten Muster wird zunächst eine dünne, zerbrechlich erscheinende Konstruktion, die dann in vertrautere Proportionen wächst, um sich mit der zunehmenden Verengung der Zwischenräume durch die immer dicker werdenden Profile zu einem massiven Block zu schließen. Der Block kann dann sich weiter vergrößern und durchdringen und wird immer wie auch in den anderen Dimensionierungen in seiner inneren Mitte das Muster der Leiter als Seele ummanteln.

Leiter, Fenster, Treppe, Stuhl, Haus, Eimer, Henkel, Brief und Spitzhut sind geometrische Konstruktionsmuster und werden zu Gegenständen durch Maßstab und Material.

Eine Mauer hat vier quadratischen Fensteröffnungen, in der Mitte zwischen Aussen und Innen ist ein Linien-Teilungsmuster von vier mal vier quadratischen Feldern gezeichnet. Die Teilungslinien  werden in drei Stufen als quadratische Profile verdickt, in einer Abfolge mehrerer Zeichnungen am Ende so, dass die Öffnung kreuzförmig verschlossen ist.

Ein räumliches Raster-Muster sind so organisiert und angeordnet, dass es eine Darstellung eines Hauses und eines hochgestaffelten Stuhls ergibt.

Ein erster Sockelteil ist dick dimensioniert und vorgesehen für ein Betonguss, ein zweiter Teil, ein dünnerer Oberbau ist vorgesehen für eine Holzfertigung. Der Stuhl hat eine Größe, in der man sitzen kann, das Haus ist ein bunkerhaftes Modell. Das Objekt heisst :  Haus und Stuhl, Stuhl und Haus ergänzen einander ohne Vorrang. Die Teile lassen sich auch als Modell für eine weit größere Architektur sehen.

Drei – Klippkern – Geometrie stützt Zeichen und Symbole, Spiele,

Geometrie ist eine Sammlung von Ordnungs-Mustern und Verknüpfungs-Motiven und stützt die Typologie von Schrift- und Kommunikationszeichen, sie ist Bestandteil wissenschaftlicher und religiöser Welterklärung. Buchstaben wie auch geometrische Schemata und Kompositionen sind Andachtsbilder vor der unaufklärbaren Menge der Verknüpfungen und den Wundern der sich doch bewegenden Geometrie.

Zuweilen wird Geometrie ganz abenteuerlich dimensioniert, fantastisch bekleidet und modelliert.  Geometriemuster, eigentlich ausgezeichnet mit Genauigkeit und Eindeutigkeit, mit Ernst, sind seltsamerweise für Spekulation und für Überwältigung und Verführung, und auch für Spiele gesuchte Partner. So auch für mich.

Und Vier –  Wie schmeckt sie, die Geometrie, woher die Liaison zu Kugel und Würfel? : Genuss und Auflösen im Gewölbe des Mundes, auf der Zunge und in den Tunneln der Nase.

Da ist das unruhige Verlangen nach Lecken an einem Maggi-Bouillon-Würfel, nach dem scharfen, starksalzigen Geschmack, nach dem Zerlösen des Extraktes mit dem Speichel auf der Zunge. Es ist eine Berührung, rauh und etwas harzig, immer nur kurz zu ertragen.

Das exakt und kantig gepresste Würfelchen ist kleiner als ein Spielwürfel und in dünnem Ölpapier eng umfaltet und wiederum eng darüber mit einer bedruckten, geknifften Bauchbinde verpackt. Ein Maggi-Würfel ist getrockneter Fleischextrakt und ein dichter Würfel. Mehrere Würfel sind zu einem festen Stab umhüllt.

Die süßen Gegenstücke sind Würfelzucker. Erste Zuckerwürfel greife ich aus einer recht geräumigen, ovalen Silberdose, deren feines Schloss und deren eingraviertes Monogramm unterhalb des kleinen Schlüssellochs und deren Stempelungen und Gravuren in der Unterseite ich heute noch bewundere. Die körnigen Würfel werden mit der Zunge gegen den Gaumen gepresst und gespannt ausgehalten bis der angezogene Speichel den Zucker und den Würfel süß zerfallen lässt, und nur kleine Reste noch knirschend zermahlen werden können. Getürmt und ineinander gewürfelt sind die Würfelzucker in dieser Silberdose immer da, auch in knapper Zeit, und obwohl Kaffee immer schwarz getrunken wird, außer den zwei drei Vorführungen wie der weiße Würfel in der Dunkelheit des Kaffees versinkt, mit dem Löffel einige male hoch gestupft wird, dann aber nicht mehr da ist und der Kaffee süßer. In der kurzen Spanne der Auflösung des Zuckerwürfelchens scheint auch eine Erinnerung an vergangene Gutsgesellschaft mit zelebriert zu werden, nun fast wie ein Kunst- und Rätselstück.

Das umfassendere Rätsel ist: „Im Wasser wird’s geboren, im Wasser lebt es fort, sobald es Wasser spürt, stirb es sofort.“ Mit „Salz“ wird es nur vorübergehend gelöst, wie alle Antworten auf Rätsel, alle Rätselinhalte nur scheinbar und unsicher.

Mit der gleichen Proportion vom Zuckerstückchen und der Tasse Kaffee: die Tasse Kaffee, die sich in einem entsprechend großen Brocken Zucker löst.

Zucker ist raffiniert aus Zuckerrüben, die angebaut werden auf schweren Böden. Würfelzucker ist in würfelähnliche Stücke gepresster Zucker.

Kugeln sind erst einmal die Lehmer, gedämpft bunte Murmeln, Klippkerkugeln, Lehmscheisser, herumgetragen in den Hosentaschen oder kleinen Säckchen. Die Glaser kommen später dann und nur einzelne.

Einige Lehmer steckt man auch mal in den Mund, dicke Backen machend: aus Neugier, Dummheit oder als Mutprobe mit der Spannung, sie ja nicht aus Versehen zu verschlucken.

Kugeln sind die mächtigen Rumbälle. Sie sind Süssbälle, eine zu Kugeln geknetete und in Schokokrümel gewälzte Resteverwertung der Bäcker und Konditoren. Die Kugeln sind mit einem Rumaroma durchzogen, etwas gewöhnlich, aber fast so groß wie ein Tennisball und also viel süße Masse für wenig Geld.